Innenminister Seehofer konnte noch nicht darlegen, was genau in neuen „Ankerzentren“ anders oder besser laufen soll. Bekanntlich ist die für diese Woche vorgesehene Vorstellung des Seehofer‘schen „Masterplans Migration“ wegen Unstimmigkeiten zwischen dem Innenminister und der Bundeskanzlerin abgesagt worden.
Insofern bleibt abzuwarten, ob die geplanten „Ankerzentren“ die Entscheidungsfindung zwischen Bleiberecht und Abschiebung beschleunigen.
Sollte der Innenminister diese Lager wirklich einführen, kommt es mir entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung an. Sie müssen sich strikt an humanitären Standards orientieren. Das spricht definitiv gegen haftähnliche Bedingungen innerhalb einer von der Zivilisation abgeschirmten Lagerstruktur mit sozialer Isolation. Geflüchtete sind häufig traumatisiert, und jedes Schicksal ist ernst zu nehmen. Sie brauchen angemessene gesundheitliche und psychologische Versorgung und natürlich auch die Möglichkeit, sich rechtlichen Beistand zu suchen. Um eine Integration von Anfang an zu ermöglichen, ist für die Angekommenen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben äußerst wichtig. Dies spricht aus meiner Sicht gegen Lager auf der „grünen Wiese“.
Die Lager müssen darüber hinaus Orte sein, wo das individuelle Bedürfnis nach Sicherheit gewährleistet ist. Hohe Standards zum Schutz von Frauen und Kindern müssen selbstverständlich sein und die UN-Kinderrechtskonvention verlässlich eingehalten werden. Dieser Herausforderung muss der Innenminister bei seinen Plänen nachkommen. Ich sehe es als unsere Pflicht an, zwar Regeln vorzugeben, aber auch mit Herz vorzugehen, denn es geht immer um Menschen!
Die Gründe, warum diese Menschen ihre Heimat verlassen, sind vielfältig. Im Kern haben sie eines gemeinsam: Sie machen sich auf den beschwerlichen Weg, weil sie glauben, hier Sicherheit und Perspektive zu finden. Ich kann diesen Wunsch – wie sicher jeder von uns – gut nachvollziehen.
Auf die Vielzahl der Menschen, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, waren wir zumindest 2015 und 2016 nicht gut vorbereitet. Dass es trotzdem im Großen und Ganzen funktionierte, lag und liegt an einer gelebten Willkommenskultur. Ohne die engagierten Bürgerinnen und Bürger wäre der Staat in den ersten Jahren über kurz oder lang an den Rand seiner Leistungsfähigkeit gelangt. Ein Umstand, der mich und meine Kolleginnen und Kollegen damals schon nachdenklich gestimmt hat.
Die Prüfung, wer das Recht hat zu bleiben und sogar seine Familien nachholen darf oder Deutschland wieder zu verlassen hat, also die Erfassung und Entscheidung über den individuellen Schutzstatus des Geflüchteten, bleibt eine Herkulesaufgabe.
Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 14.06.2018 zur Fragestellung: „Sind Ankerzentren die geeigneten Einrichtungen, um schneller und gerechter über das Bleiberecht oder die Abschiebung von Flüchtlingen zu entscheiden?“