Gefahr der Eskalation

Der bewusste Auftritt der AfD mit Neonazis und Rassisten in Chemnitz ist ein Alarmsignal. Während sich die Partei bis dahin mehr schlecht als recht distanziert hatte, sind in Chemnitz offenbar die letzten Hemmungen abgelegt worden.

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Politische Beobachter hat das nicht überrascht. Das Gefährliche ist allerdings, dass sich bei derartigen Versammlungen eben nicht nur Rechtsradikale treffen. Unter die Neonazis mischen sich mittlerweile regelmäßig Bürgerinnen und Bürger, die der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ zugerechnet werden, die von sich behaupten, nicht „rechts“ zu sein, die aber unzufrieden sind und vorgeben, ein Zeichen setzen zu wollen.

In dieser Situation muss der demokratische Rechtsstaat Stärke zeigen und handeln. Der Staat darf dabei keine Angst davor haben, dass einer potentiellen verfassungsfeindlichen Kraft eine Märtyrerrolle zukommen könnte – wie es der Ministerpräsident Daniel Günther befürchtet. Zwar gehe ich davon aus, dass der Verfassungsschutz rechtsradikale Mitglieder der AfD bereits beobachtet. Da sich die AfD nun aber offenkundig mit Neonazis zusammentut, muss die Überwachung deutlich ausgeweitet werden. Sollte die Sammlung von Beweisen Verbotswürdiges zu Tage fördern, müssen weitere Schritte gegangen werden.

So lange können aber Staat, Politik und Zivilgesellschaft nicht warten. Wer für Respekt, Menschenwürde und Demokratie eintritt, muss jetzt ein Zeichen setzen und sich an entsprechenden Kundgebungen beteiligen. Die fremdenfeindlichen, Freiheit und Demokratie verachtenden Auswüchse in Chemnitz und anderenorts dürfen nicht das Bild unseres Landes prägen. Rechtsradikalen Gewalttätern und Hass-Propagandisten können wir es nicht länger durchgehen lassen, vermeintlich für die deutsche Bevölkerung zu sprechen.

Wichtig ist auch die verstärkte Auseinandersetzung mit der Frage, warum sich so viele Menschen – vorrangig im Osten Deutschlands – abgehängt und nur noch von AfD und Rassisten verstanden fühlen. Ihnen muss klar gemacht werden, dass sie sich mit Extremisten einlassen, die Anstand, Zusammenhalt und Demokratie mit Füßen treten.

Ob und wieweit unsere Gesellschaft auseinanderdriftet, kann ich nicht beurteilen. Was ich aber sehe und was mich beunruhigt ist, dass mit den Überfällen auf Menschen mit Migrationshintergrund und den ungezählten rechtsextremen Straftaten Rassismus und rechte Hetze eine neue Stufe erreicht haben.

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 05.09.2018 zur Fragestellung: „Chemnitz und die Folgen: Nur ein Aufmarsch gewaltbereiter Extremisten oder ein ernstzunehmendes Zeichen für die zunehmende Spaltung der Gesellschaft?“