Aber natürlich strahlt die Bundespolitik auf die Wahlen in den Ländern aus. Und so erklären sich die drastischen Verluste von Union und SPD in Bayern sowohl mit eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten als auch durch das beispiellos schlechte Ansehen der Großen Koalition in der Bevölkerung.
Dazu kommt, dass die Zeit für die großen Volksparteien, die seit Jahrzehnten große Teile der Gesellschaft hinter sich versammeln konnten, überall schwierig geworden ist. In Deutschland ist eben nicht alles auf Dauer anders, als im restlichen Europa. Wir leben in Zeiten zunehmenden Wohlstands und materieller Sicherheit. Die Gewinner dieser Entwicklung bangen um Erreichtes; auf der anderen Seite gibt es viele, die sich trotz zwei oder drei Jobs nichts leisten können, was über die Existenzsicherung hinausgeht. Große Parteien sind nicht mehr in der Lage, die Bindungswirkung aufzubringen, die den Einzelnen dazu bringt, seine eigenen Interessen dem großen Ganzen unterzuordnen. Noch schlimmer wird es, wenn eine Partei nicht mehr erklären kann, was dieses große Ganze überhaupt ist.
Was folgt, ist zwangsläufig: Kleine Parteien greifen zunehmend die Interessen von einzelnen Teilen der Gesellschaft auf und erreichen auf diesem Weg parlamentarischen Status. Ich denke, hier ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, denn weitere „Bewegungen“ stehen mit der Gründung einer Partei in den Startlöchern.
Einen guten Riecher für die Themen der Zeit haben aktuell die Grünen. Gepaart mit einem guten Händchen bei den Führungspersonen wurde daraus in der öffentlichen Wahrnehmung eine Partei, die zunehmend sowohl den Wunsch nach der Bewahrung des Erreichten als konservatives Moment als auch eines liberalen Ansatzes nach Freiheit und Bürgerrechten und „grüne“ Elemente wie die Energiewende zusammenbringt. Der Ehrlichkeit halber muss man allerdings auch sagen, dass es aus der Opposition heraus leichter ist, die „reine Lehre“ zu vertreten. Im Regierungsalltag würden die Grünen sicher wieder Federn lassen.
Eins ist sicher: Der Wind kommt für „die Volksparteien“ immer stärker von vorn, und wer nicht ziemlich zügig die Antworten auf die gesellschaftlichen Fragen von heute und morgen findet, wird weggeweht.
Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 25.10.2018 zur Fragestellung:„Warum verliert die Großen Koalition auf Länderebene und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?“.