Gesundheit hat Vorrang

In Deutschland haben Millionen Diesel-Autos wegen manipulierter Motorsteuerungen mehr Stickoxid in die Luft gepustet als zulässig. Die Automobilwirtschaft hat ihren Kunden jahrelang schlechte Autos für gutes Geld verkauft.

Bild: pixabay_realworkhard
Kaum ein politisches Thema beschäftigt die Menschen in diesen Tagen mehr, als die Dieselfahrverbote. Das kann ich gut verstehen, denn das (Diesel-) Auto ist in vielen Familien bei der Organisation des Alltags nicht hinwegzudenken.
Möglich wurden diese Fahrverbote durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das damals die Luftreinhaltepläne der Städte Düsseldorf und Stuttgart verhandelte. In der Folge klagte die Deutsche Umwelthilfe in einer Reihe von Städten, in denen seit Jahren die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid nicht eingehalten werden. Stickstoffdioxid-Hauptquelle im Verkehr sind Dieselautos.
Zusätzliche Brisanz bekommt die Debatte durch den so genannten Abgasskandal. In Deutschland haben Millionen Diesel-Autos wegen manipulierter Motorsteuerungen mehr Stickoxid in die Luft gepustet als zulässig. Die Automobilwirtschaft hat ihren Kunden jahrelang schlechte Autos für gutes Geld verkauft.
Irgendjemandem ist es nun gelungen, die Diskussion weg zu bekommen von der Frage, wer die Verantwortung für die überhöhten Abgaswerte in den Städten trägt und wie umgehend – jenseits von Fahrverboten – Abhilfe geschaffen werden kann und was sich auch sonst in unserer Verkehrspolitik ändern muss, damit in unseren Städten nicht weiter „dicke Luft“ herrscht.
Vielmehr diskutieren wir, ob die Messstationen richtig stehen und ob die Grenzwerte heraufgesetzt werden sollten. Zu diesem Coup kann man zweifellos gratulieren oder sich diebisch darüber freuen, wie der Verkehrsminister – das eigentliche Problem wird damit aber nicht gelöst und insbesondere lässt man diejenigen Menschen im Stich, die die Belastungen durch den Dreck auszuhalten haben.
Vorläufiger Höhepunkt dieser Kampagne ist ein zweiseitiger Aufruf von knapp hundert Lungenärzten, in dem die aktuellen Grenzwerte in Frage gestellt werden. Seriöse und an einer sachlichen Diskussion interessierte Wissenschaftler würden ihre Meinung in die wissenschaftliche Diskussion einfließen lassen, also in einschlägigen Publikationen, um am Ende mehrheitlich zu einem vorläufigen Ergebnis zu kommen.
Stand heute lässt sich dieser Aufruf leicht als fachlich fragwürdige Einlassung und klare Mindermeinung abtun, das ist aber nicht meine Aufgabe. Ich orientiere mich weiter an der überwiegenden Anzahl von Wissenschaftlern, die die Gesundheitsgefahren durch den Ausstoß von Stickstoffen nicht in Frage stellen. Ich wäge ab und sage: Der Schutz der Gesundheit hat Vorrang!

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 30.01.2019 zur Fragestellung: „Müssen die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoff neu definiert und Dieselfahrverbote als untaugliches Mittel wieder einkassiert werden?“