Neue Balance

Die Welt ist in Bewegung und verändert sich jeden Tag. Nicht anders verhält es sich mit einem Staatenbund, einer politischen Gemeinschaft wie der Europäischen Union. Deshalb ist es immer wieder notwendig, mit praktikablen Lösungen zu reagieren und für Stabilität zu sorgen. Darüber hinaus brauchen wir aber auch neue Impulse und Visionen, um die europäische Idee weiterzudenken und voranzutreiben.

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Das hat kürzlich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron getan und ist postwendend dafür kritisiert worden. Ich finde, zu unrecht. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz geben zwar vor, Europa weiterbringen zu wollen. Wenn man ihre Konzepte aber genau anschaut, wird sichtbar, dass sie weit hinter dem zurückbleiben, was möglich und notwendig wäre. Ein kräftig schlagendes europäisches Herz höre ich nicht.

Natürlich wollen wir unsere Vorstellungen von Solidarität und sozialer Sicherheit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaustragen und auf europäischer Ebene verankern. Die sozialen Grundrechte stehen derzeit hinter einer gelungenen wirtschaftlichen Integration zurück. Wir brauchen eine neue Balance zwischen wirtschaftlichen Freiheiten und sozialen Rechten. Deshalb fordern wir einen europäischen Mindestlohn.

Auch die öffentliche Daseinsvorsorge wollen wir sichern und fördern. Gemeinwohlinteressen müssen immer Vorrang haben. Sozial schwächere Menschen brauchen Unterstützung. Auf der anderen Seite muss, wer Milliarden erwirtschaftet, angemessen besteuert werden und einen fairen Anteil für die solidarische Gesellschaft leisten. Der Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuern zwischen den Mitgliedsstaaten ist da kontraproduktiv.

Europa hat den weltweit größten gemeinsamen Wirtschaftsraum geschaffen. Der ganze Standort Europa braucht eine starke Wirtschaft, die gute Arbeit schafft und faire Löhne zahlt. Eine Wirtschaft, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellt und unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützt und respektiert.

Nicht zuletzt bin ich ganz klar für eine europäische Friedenspolitik, denn wer aufrüstet, regt gleichzeitig immer auch andere dazu an.

Der Zusammenhalt Europas ist keine Selbstverständlichkeit, und er kostet immer wieder Mühe, gegenseitige Rücksichtnahme und Kompromissbereitschaft. Doch jedem, der sich nur ein wenig mit unserer Geschichte befasst hat, muss klar sein, dass ein Rückschritt in die Nationalstaaterei keine Option ist.

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 15.03.2019 zur Fragestellung: „Brexit, bröckelnde Ränder und die Wahl: Ist Europa stark genug und bereit, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen?“