Klaren Kopf bewahren

Das schlechte Wahlergebnis bei der Europawahl hat innerhalb der SPD, insbesondere auch in der Bundestagsfraktion, für Bewegung und Diskussionen gesorgt. Dies hat letztlich dazu geführt, dass Andrea Nahles von ihren Ämtern als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurückgetreten ist. Wir befinden uns nun in einer außergewöhnlichen Situation, in der wir entscheiden müssen, wer sich am besten dafür eignet, die Partei bzw. die Fraktion im Bundestag zu führen.

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Sie bietet aber die Chance auf einen Neuanfang. Wir müssen jetzt die notwendigen Konsequenzen ziehen, dabei aber Ruhe bewahren und Schnellschüsse vermeiden.

Eine Übergangslösung gibt es bereits: Die SPD wird zunächst kommissarisch von den Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz Manuela Schwesig und Malu Dreyer sowie dem Vorsitzenden der hessischen SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, geführt. Rolf Mützenich hat kommissarisch die Leitung der Bundestagsfraktion übernommen. Das halte ich für eine akzeptable Lösung, bis diese Positionen neu besetzt sind. Wir müssen unsere Kräfte bündeln und die Sacharbeit an den im Koalitionsvertrag vereinbarten Themen fortsetzen. Das kann uns auch gelingen.

Ob und wie lange die Große Koalition hält, hängt vor allen Dingen davon ab, wie viel sozialdemokratische Politik wir gegenüber unseren Koalitionspartnern durchsetzen können. Die SPD wird immer dem sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Fortschritt verpflichtet sein. Wenn wir dabei in der Großen Koalition nicht vorankommen bzw. mit den Unionsparteien nur solche Kompromisse aushandeln können, die keine wirklichen Verbesserungen für die Menschen mit sich bringen, müssen wir die Koalition verlassen. Dann wäre der Versuch, als kleiner Partner in dieser Großen Koalition sozialdemokratisch mitzuregieren, gescheitert, und wir müssten eingestehen: Hätte klappen können, hat es aber nicht.

So weit ist es aber noch nicht, und insbesondere Neuwahlen sind nicht so schnell herbeizuführen, wie das Wort vielen über die Lippen kommt. Zudem haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Ergebnisse der Regierungsarbeit nach der Hälfte der Wahlperiode überprüfen und danach entscheiden werden, ob wir in der Großen Koalition weitermachen oder nicht. Dies werden wir im Herbst tun.

Gerade in ungewöhnlichen politischen Lagen ist es erforderlich, einen klaren Kopf zu bewahren und Probleme verantwortungsbewusst anzugehen. Das gilt auch jetzt.

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 06.06.2019 zur Fragestellung: „Quo vadis, Groko? Was folgt nach dem doppelten Rücktritt von Andrea Nahles?“