Der türkische Einmarsch destabilisiert die Lage in der Region und droht die Erfolge der internationalen Allianz im Kampf gegen den IS in Syrien zunichte zu machen.
Schweren Schaden nimmt das Ansehen der USA und ich kann auch nicht erkennen, welchen Vorteil die neue Lage den USA und ihren Verbündeten überhaupt bringen könnte. Die hauptsächlich leidtragenden sind natürlich die Kurden. Die Offensive der Türkei verstößt ganz offensichtlich gegen das Völkerrecht und hat schon unzählige Tote gefordert und hunderttausende Menschen in Syrien zur Flucht gezwungen.
In erster Linie nützt der Rückzug der amerikanischen Truppen dem syrischen Diktator Assad, dem russischen Präsidenten Putin und den tausenden in dem umkämpften Gebiet inhaftierten IS-Kämpfern.
Es ist schwer zu sagen, welche Gangart Erdogan zur Räson bringen könnte, die schrillen Töne aus Ankara stimmen mich nicht optimistisch. Klar ist für mich aber, wie Deutschland und die EU auf die Angriffe reagieren müssen – unabhängig von den Erfolgsaussichten.
Natürlich muss es bei der Forderung an die Türkei bleiben, die Militäroffensive zu beenden und unverzüglich ihre Truppen aus Syrien abzuziehen! Richtig ist auch, dass Deutschland keine Militärgüter, die von der Türkei in Syrien verwendet werden können, exportiert. Bei Aktionen und Vorschlägen einzelner Länder darf es aber nicht bleiben. Ich erwarte, dass jetzt auch die europäische Union Konsequenzen zieht und einen gemeinsamen Rüstungsexportstopp gegenüber der Türkei verhängt. Darüber hinaus muss der völkerrechtswidrige Angriff Konsequenzen vor dem Internationalen Strafgerichtshof haben.
Ich hoffe, dass der türkische Präsident durch eine zunehmende politische Isolation zur Vernunft gebracht werden kann. Was wir in der Region aber vor allem brauchen, sind politische Lösungen. Wenn es jemals zu einem politischen Ausgleich kommen soll, dann sind Gespräche unerlässlich. Deutschland sollte signalisieren, dass es eine Vermittlerrolle zwischen der Türkei und den Kurden übernehmen könnte.
Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 23.10.2019 zur Fragestellung: „Angriffe der Türkei auf Syrien: Welche Gangart könnte Erdogan zur Räson bringen, und wie sollten Deutschland und die EU auf die Angriffe und Provokationen reagieren?“