AfD nicht verharmlosen!

Die Landtagswahl in Thüringen hat dem Land unübersichtliche Verhältnisse beschert. Die regierende rot-rot-grüne Koalition hat im Landtag keine Mehrheit mehr. Die Analyse ist nicht einfach. Manches spricht dafür, dass die Wähler*innen Denkzettel verteilt haben, indem die meisten der Wähler*innen, die der AfD ihre Stimme gaben, dies aus Enttäuschung über die anderen Parteien getan haben.

Auf der anderen Seite ist mit Bodo Ramelow der amtierende Ministerpräsident mit seiner Partei „Die Linke“ Wahlsieger Nummer 2. Alle Meinungsforschungsinstitute kommen zu dem Schluss, dass es keine Wechselstimmung gab, laut Infratest Dimap sind 58 Prozent der Thüringer mit der Landesregierung zufrieden.

Manche sehen das katastrophale Abschneiden von CDU und SPD als Quittung für die Arbeit der Großen Koalition in Berlin. Andererseits quälten sich die Grünen, die bei Umfragen auf Bundesebene Woche für Woche durch die Decke schießen, mit einem Minus von 0,5 Prozent knapp über die 5-Prozent-Hürde.

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung kommt in einer Analyse zu dem Schluss, dass im Wesentlichen landespolitische Motive bei den meisten Wähler*innen den Ausschlag gegeben haben. So oder so: Wie es jetzt weitergeht, muss die Landespolitik in Thüringen entscheiden.

Kompliziert wird es allemal. Mit Linke, AfD und CDU erreichen drei Parteien gemeinsam rund drei Viertel der Stimmen – aber für regierungsfähige Koalitionen reicht es nicht.

Eine Vier-Parteien-Koalition von Linke, SPD, Grünen und FDP halte ich für eher unwahrscheinlich und vermute daher, dass es auf eine Minderheitsregierung unter Bodo Ramelow hinausläuft. Aber auch diese Lösung erfordert wesentlich mehr Flexibilität und Gesprächsbereitschaft, als CDU- und FDP-Landespolitiker bisher offenbart haben. Wer die aktuelle AfD und die heutige Linkspartei gleichsetzt, der verharmlost den menschenverachtenden Rassismus und Rechtsextremismus in der AfD. Und wenn Funktionäre der CDU Thüringen ergebnisoffen mit der AfD reden wollen, wird eine Grenze überschritten und Rassismus salonfähig gemacht. Das geht gar nicht.

Eile besteht bei der Regierungsbildung zum Glück nicht, denn es gibt in Thüringen keine Frist, innerhalb der eine neue Regierung gebildet sein muss und die rot-rot-grüne Landesregierung hat bereits einen Landeshaushalt für 2020 verabschiedet, so dass die alte Regierung nicht nur im Amt bleiben, sondern auch regieren kann.

Ich wünsche mir, dass CDU oder FDP oder beide bald den Wahlkampfmodus verlassen, staatspolitische Verantwortung zeigen und ernsthafte Gespräche über die Zukunft des Landes Thüringen führen.

 

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 07.11.2019 zur Fragestellung: „Der politische Denkzettel und komplizierte Mehrheitsfindung: Wer soll Thüringen regieren, oder erleben wir dort die erste Minderheitsregierung?“.