Es war also klar, dass das Ergebnis ein gewisses Maß an Flexibilität abverlangen würde, und dass man am Wahlsieger – der Partei Die Linke mit Bodo Ramelow – nicht vorbei kommt, wenn man das Wahlergebnis irgendwie sinnstiftend auslegen will.
CDU und FDP tappten in eine Falle, die die Höcke-AfD – nur mühsam kaschiert – aufgestellt hatte. Mit den Faschisten wählten sie den FDP-Mann Kemmerich zum Ministerpräsidenten. Nach seiner Wahl stand dieser ohne Unterstützung, ohne Plan, ohne eine Idee für irgendwas im Regen und trat kurz darauf wieder zurück. Übrig blieb ein riesiger Scherbenhaufen. Einziger Profiteur: Die AfD! Wer deren feixenden Landesvorsitzenden Müller vor laufender Kamera gesehen hat, konnte spätestens da erkennen, worum es der AfD geht: Destruktion, Krawall, Provokation und Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie.
Nun eskaliert die Situation auf Bundesebene. Der FDP-Vorsitzende Lindner und sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki konnten trotz unsäglicher Herumeierei (noch) auf ihren Posten bleiben. Aber die CDU-Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer hat ihren Rücktritt angekündigt. Welche Folgen das hat, ist noch gar nicht abzusehen.
Wie geht es jetzt weiter? Zunächst einmal müssen CDU und FDP in Thüringen ihre rein von Taktik geprägte Haltung zur AfD aufgeben. Keine gemeinsame Sache mit Faschisten machen – das war bisher ein Grundkonsens unserer Republik. In Thüringen haben wir einen Tabubruch und einen rabenschwarzen Tag in der deutschen Nachkriegsgeschichte erlebt.
Auch auf Bundesebene fällt es Union und FDP offenbar nicht leicht, diesen Grundkonsens aufrecht zu erhalten. Hier muss sich die Lage schnell klären. Die SPD, das Bollwerk der Demokratie und gegen Rechts, ist nun die tragende und treibende Kraft dieser Regierung. Wir machen unsere Arbeit: So geht die Grundrente diesen Mittwoch ins Kabinett, die Aufstiegsausbildungsförderung wird am Freitag im Bundestag beschlossen.
Wer in Thüringen regiert, entscheiden die Thüringer. Nicht ganz eindeutig – das stimmt. Aber so verworren, dass man nicht mit Haltung und ein bisschen mehr Konstruktivität zu akzeptablen Lösungen kommen könnte, ist die Lage nicht.
Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 13.02.2020 zur Fragestellung: „Welche Lehren müssen aus dem Desaster in Thüringen gezogen werden, und wer sollte dort regieren?“