Wie wollen wir leben?

Die Erlasse und Verordnungen, die die Landesregierungen zur Eindämmung des Virus beschlossen haben, betreffen meine Familie und mich auf den ersten Blick genauso, wie alle anderen. Ich arbeite überwiegend im Homeoffice, telefoniere viel und bin viel in Videoschalten.

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So halte ich Kontakt mit den Gremien des Bundestages und meiner Partei, mit Bürgerinnen und Bürgern, Ärzten und Kommunalpolitikern, Kolleginnen und Kollegen und mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Auch meine Frau ist im Homeoffice. Das ist für sie genauso gewöhnungsbedürftig, wie für mich. Es erfordert Disziplin, erleichtert aber auch vieles in dieser Situation. Wir halten uns so gut es geht an die Regeln, und dabei merken wir, dass die Vernunft, das Wissen um die medizinischen Erfordernisse, nicht immer mit sozialen Bedürfnissen unter einen Hut zu bringen ist.

Besonders schlimm stelle ich mir die Situation für Menschen vor, die Angehörige in einem Alten- oder Pflegeheim oder im Krankenhaus haben. In so einer Situation sind wir gottlob nicht, und auch sonst geht es uns besser als vielen anderen. Das fängt mit dem Garten vor dem Haus an und geht vor allem damit weiter, dass wir nicht von Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit betroffen sind, keine finanziellen Einbußen verkraften müssen.

Wir können uns schützen, wir sind digital dabei und wir müssen keine Zukunftsangst haben. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

In dieser akuten Situation unternehmen die Bundesregierung und die Landesregierungen historisch gesehen beispiellose Anstrengungen, um den Menschen Sicherheit zu geben und möglichst vielen über die Runden zu helfen, die sonst wirtschaftlich ruiniert wären. Dabei gibt es natürlich auch Meinungsverschiedenheiten, die ausgetragen werden müssen – wie z. B. die Diskussion über die Höhe des Kurzarbeitergeldes zeigt oder die Frage, wie wir den Familien, insbesondere den Alleinerziehenden helfen.

Ich hoffe, dass es nicht bei diesen akuten Anstrengungen bleibt, sondern dass wir über die Krise in eine Auseinandersetzung darüber kommen, wie wir in unserer Gesellschaft zusammenleben wollen, welche beruflichen Tätigkeiten, welche Produktionen, welche Einrichtungen „systemrelevant“ sind (um den in diesen Wochen arg strapazierten Begriff aufzunehmen), welche Tätigkeiten unterbezahlt sind, welche Bereiche wir nicht einfach dem Markt überlassen wollen, welche Erleichterungen die Digitalisierung in der Schule und im Berufsleben bieten kann.

So könnten wir – jenseits allen Elends – aus der Krise auch Positives ziehen.

 

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 23.04.2020 zur Fragestellung: „Wie leben Sie persönlich mit der Corona-Krise, welche Erfahrungen haben Sie gemacht, und wie sehen Sie die künftige Entwicklung?“