Es gibt keine Blaupause

Für die Bewältigung einer Krise wie die Corona-Pandemie gibt es keine Blaupause. Uns fehlen bei vielen Fragen immer noch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse. Und wir dürfen nicht vergessen: Es gibt immer noch keinen Impfstoff, immer noch keine spezifische Therapie. In Vielem sind die Wissenschaftler noch uneins.

Bild: Merlin Nadj-Torma

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die wissenschaftliche Diskussion darüber, ob Kinder in der Corona–Pandemie genauso ansteckend sind, wie Erwachsene.

Ich meine, wir sind gut beraten, wenn wir die Wissenschaftler in Ruhe forschen und diskutieren lassen. Entscheiden muss die Politik gleichwohl. In Schleswig-Holstein hat sich die Landesregierung dazu durchgerungen, im Juni die Betreuung in den Kindertagesstätten sowie den Unterricht an den Schulen weiter auszuweiten. Ab dem 8. Juni sollen alle Grundschülerinnen und Grundschüler wieder täglich in die Schule kommen. Und in den Kitas konnte ab dem 1. Juni die Gruppengröße von zehn auf 15 Kinder erhöht werden.

Und auch in anderen Bereichen wird und wurde zügig gelockert. Freizeitparks und Schwimmbäder dürfen demnächst wieder öffnen, Restaurants länger öffnen, die Landesregierung lässt wieder – stufenweise – unterschiedliche Veranstaltungsformate zu. Umfangreiche Änderungen gab es schon im Tourismus – wie am schönen Pfingstwochenende viele erfreut, manche genervt erfahren durften.

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Bürgerinnen und Bürger sich nach Normalität sehnen, dass die Landesregierungen Normalität schnell wieder zulassen wollen. Die Frage, wie schnell wir die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie anpassen, sollte sich zum einen strikt nach dem Infektionsgeschehen richten, zum anderen nach dem gesicherten Stand der Forschung. Und natürlich muss dabei auch auf Verhältnismäßigkeit geachtet werden. Ich finde es z. B. wichtig, dass wir Familien entlasten, dass Kinder wieder mit Kindern zusammenkommen können, dass Schülerinnen und Schüler wieder in die Schule können. Dass wir alle wie die Ölsardinen am Strand liegen oder Urlaub in aller Herren Länder machen dürfen, kann dagegen durchaus noch warten.

Also: Es gibt keine Blaupause, und es gibt leider auch keine schnelle Lösung. Mir wäre es lieber, wir würden die Anpassungen in manchen Bereichen behutsamer vornehmen. So lange so viele Fragen um das Corona-Virus noch nicht hinreichend erforscht sind, sollte das alte Sprichwort gelten, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

 

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 05.06.2020 zur Fragestellung: „Wie beurteilen Sie den Umgang, das Maß und die Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit den Corona-Lockerungen?“