Das Übel Fallpauschale

Eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle ist eine zentrale Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und Grundlage für gleichwertige Lebenschancen in allen Regionen Deutschlands. Was es bedeutet, wenn Ökonomie der bestimmende Faktor in der Versorgung ist, haben wir in Eckernförde erlebt, als um Erhalt oder Schließung von Kinder- und Geburtshilfestation gestritten wurde.

Bild: Merlin Nadj-Torma

Überhaupt ist dieser Bereich – Kindermedizin – ein Paradebeispiel dafür, dass etwas faul ist im System. Wenn sich – wie in vielen Kliniken im ländlichen Raum – Kindermedizin finanziell „nicht rechnet“, müssen wir handeln. Aus meiner Sicht liegt das Übel in der Fallpauschale, die in vielen Bereichen zu einer Unterfinanzierung führt.

2003 wurden sogenannte diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) im Gesundheitswesen eingeführt. Dieses System steht deshalb in der Kritik, weil es auf Durchschnittskosten basiert. Für jede Krankheit und Behandlungsart gibt es danach eine bestimmte Summe, mit der alle Personal- und Sachkosten abgegolten sein müssen. Der reale Zeit- und Personalaufwand kann aber viel höher sein. Und tatsächlich decken die Fallpauschalen bei geringen Fallzahlen die Vorhaltekosten oft bei weitem nicht ab.

Statt der Fallpauschalen müssen wir ein System der Grundfinanzierung für die niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte und -psychiater, die Sozial-Pädiatrischen Zentren und die Kinder- und Jugendkliniken entwickeln, das durch eine individualisierbare Finanzierung von Behandlungen ergänzt wird.

Deshalb unterstütze ich die Bundesratsinitiative, mit der das Land Mecklenburg-Vorpommern das Ziel verfolgt, ein System für eine flächendeckende stationäre pädiatrische Versorgung außerhalb des Fallpauschalensystems zu entwickeln.

Kindergesundheit beginnt übrigens mit einer Geburtshilfe, die es erlaubt, Frauen kontinuierlich und zugewandt zu begleiten. Und auch im ambulanten Bereich ist ein besorgniserregender Rückgang der Kinderarztpraxen zu beobachten. Auch dort ist die Abschaffung oder zumindest sehr grundlegende Reform der Fallpauschalen dringend angezeigt.

Und in der aktuellen Situation fordert die SPD, dass ein Anteil von 13 Prozent der Investitionen, die im Konjunkturpaket der Bundesregierung für das „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ bereitgestellt wird, für die Finanzierung kinder- und jugendmedizinischer Versorgungsstrukturen verwendet werden kann.

Sicher ist: Die Profitorientierung im Gesundheitswesen kann so nicht bleiben!

 

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 13.08.2020 zur Fragestellung: „Bessere Chancen für die kleinen Kliniken: Wie kann die Versorgung im ländlichen Raum dauerhaft gesichert werden?“